Ihnen wie mir ist klar, dass sich die Frage nach der Entscheidungsbildung im Team in aller Regel nicht stellt. In klassischen Teamverbänden entscheidet nach entsprechendem, mehr oder minder sachdienlichem Vorlauf die Teamleitung.
Nun gibt es zunehmend Organisationen und Unternehmen, die für sich die Vorteile einer Selbstorganisation in überschaubaren Einheiten entdecken und z.B. interne Entscheidungen möglichst im und durch das Team vollziehen lassen.Je nach Größe des Teams, aber auch abhängig davon, welche Art von Entscheidungen in diesem gefällt werden (handelt es sich um ein technisches Unternehmen, einen Kindergarten oder einen landwirtschaftlichen Betrieb?) und je nachdem, was den ideellen oder Erfahrungshintergrund der Grundsatzentscheidung zur Selbstorganisation bildet, gibt es verschiedene Möglichkeiten und Modelle, wie Entscheidungsbildung in Teams praktiziert werden kann.
Hier geht es nicht um verschiedene Modelle, sondern um Folgendes: Das Team bemüht sich um eine einvernehmliche Entscheidung, ist jedoch außerstande, diese zu fällen. Was tun? Rückgriff auf hierarchische Entscheidungsbildung? Sinnvolle und zielführende Alternativen?
Am Beispiel: Das Team Forschung eines innovativen Ingenieurbetriebs hat inzwischen Erfahrung mit gemeinsam gefällten Entscheidungen. Umso ratloser sind die Kollegen, als es einmal nicht klappt. Es geht um die Neueinstellung eines Kollegen angesichts eines bevorstehenden Abschieds. Vier Bewerber befinden sich in der engeren Auswahl, die Qualifikationen sind in allen Fällen gut bis sehr gut, die betreffenden Persönlichkeiten teilweise recht unterschiedlich. Das entscheidungsbefugte Team besteht aus neun Kollegen, einer davon der Teamleiter. Die Argumente für bzw. gegen die vorhandenen Bewerber wurden innerhalb eines erfahrungsgemäß auf anderthalb Stunden angesetzten Rahmens ausgetauscht. Eine einvernehmliche Entscheidung gelingt nicht. Stattdessen werden zwei Kollegen mit der Aufgabe betraut, die erforderliche Entscheidung bis zu einem Stichdatum im Namen des Teams zu fällen. Die Betreffenden erwägen sämtliche vorgetragenen Argumente, Pros und Contras der beteiligten Kollegen, holen für erforderlich gehaltene Zusatzinformationen ein und – fällen eine Entscheidung. Sie kommunizieren ihre Gründe im Kollegenkreis, ein Veto gibt es nicht. Anschließend Dank für den übernommenen Job und Entlastung: das beauftragende Team nimmt die Entscheidung – als eigene – an und verantwortet diese als eigene. Mit allen Konsequenzen, sollten wider Erwarten in der Folge Probleme auftreten.
Bei in etwa gleichermaßen qualifizierten, motivierten und engagierten Kollegen entspricht das Verfahren den fachlich und menschlich gegebenen Voraussetzungen, stärkt die Teambildung und den kollegialen Zusammenhalt und begründet bzw. stabilisiert eine auf gegenseitigem Vertrauen beruhende und soziale Fähigkeit und Kompetenz zusprechende Betriebskultur.
Nothart Rohlfs